Früh in meinem Leben, im Osten der USA, begann ich, Teiche, Flüsse, Seen und das Meer unter ihrer Oberfläche zu erkunden. Später, auf der High School in der Nähe von Chicago, packte mich als Athlet und Wassersportler die Tauchsucht. Wie vielen jungen Leuten fehlten mir Zeit und Geld für „exotische“ Tauchgänge, so sehr ich mich auch danach sehnte. Selbst eine Autoreise nach Florida gab es meist nur in Verbindung mit dem Spring Break, so dass meine Freunde und ich viel Zeit damit verbrachten, unsere „Hinterhof-Gewässer“ zu erkunden – den nahegelegenen Lake Michigan, kleinere Seen, Waldflüsse, Baggerseen und so weiter. Später, schon fast erwachsen, wohnte ich weiter im Osten und Süden und zu meinen örtlichen Tauchaktivitäten kam das Tauchen an der Küste, vom Strand und vom Steg hinzu. Als Student in Florida vertiefte ich mich in den Divers Guide to Underwater Florida und hatte die Mission, jede von Ned DeLoach in diesem Buch beschriebene Quelle, jede Sinkhöhle und jeden erreichbaren Küstenabschnitt zu betauchen. Es stachelte mein Interesse an, brevetierter Höhlentaucher zu werden. Shek Exleys Richtlinien aus „A Blueprint for Survival“ beeinflussten meine Gedanken und Handlungen und spiegelten sich darin wider.

Seitdem hat sich vieles geändert und mittlerweile habe ich das Privileg, in meinem Logbuch einige der weltweit renommiertesten Tauchplätze stehen zu haben. Trotzdem ragen die frühen Tauchgänge in der Heimat dazwischen heraus. Sie bleiben ganz besondere Erinnerungen, die ich niemals für etwas „exotischeres“ eintauschen möchte, selbst wenn es möglich wäre – so gut waren viele von ihnen und ich liebe es noch immer, überall Tauchplätze mit Maske, Schnorchel und Flossen oder, wenn möglich, mit Gerätetauchausrüstung zu erkunden. Es ist erstaunlich, was man erleben kann und was man über ein Gewässer lernen kann, wenn man es unter der Oberfläche betrachtet.

Wenn dich das überrascht, bist du nicht allein damit. Menschen, die später im Leben beginnen zu tauchen als ich, verfügen häufig über die Mittel, ihre ersten Tauchgänge an Orten wie Grand Cayman, Koh Tao  oder dem ägyptischen Roten Meer zu machen. Daran ist nichts falsch (es ist sogar großartig), aber manchmal führt es zum Mythos der „Drei F“ darüber, was einen guten Tauchgang ausmacht: gute Sichtweiten (Far), keine kalte Wassertemperatur (Freezing) und es müssen Millionen bunter Fische zu sehen sein. Das stimmt aber nicht!

Far (gute Sichtweiten)

Ich liebe gute Sichtweiten so sehr, wie jeder Taucher – aber ein guter Tauchgang wird nicht darüber definiert. Welcher Tauchgang ist besser: Eine Stunde Däumchen drehen in einem kristallklaren Schwimmbecken? Oder mit dem besten Freund 30 Minuten im Fluss Fossilien durchpflügen, bei einem Meter/drei Fuß Sichtweite? An welchen wirst du dich erinnern, darüber reden und lachen und ihn online posten? Es kommt darauf an, was du siehst und machst und mit wem – nicht darauf, wie weit du gucken kannst.

Freezing (keine kalten Wassertemperaturen)

Gute Tauchgänge werden auch nicht von warmen Wassertemperaturen definiert, nur weil es nicht kalt ist – es ist das Frieren, was keinen Spaß macht. Lass es dir von jemandem sagen, der unter sieben Meter dickem, antarktischem Eis getaucht ist (ja, das war ziemlich exotisch): mit modernen Tauchanzügen stellt die Wassertemperatur kein Hindernis mehr dar. Wenn du dich von kalten Wassertemperaturen abschrecken lässt, verpasst du sogar einige der faszinierendsten Tauchgänge – Kelpwälder, unberührte Wracks, einzigartige Organismen und hunderte weiterer Erlebnisse, die du niemals in tropischen Gewässern haben wirst.

Fisch

Fische sind wunderbare, faszinierende Lebewesen und einer der Gründe, warum wir das Tauchen lieben. Sie sollten dort sein, wo sie hingehören (als PADI Hoffnungsträger geht es darum, dies zu gewährleisten). Aber an manchen Tauchplätzen gibt es wenige oder keine Fische – wichtig ist stattdessen Zweck, Mission oder Aktivität. Fische zu beobachten oder im Bild festzuhalten hat einen Zweck, ebenso wie das Beobachten Wirbelloser, die Teilnahme an einer Women’s Dive Day Veranstaltung in einem Baggersee, das Sammeln/Dokumentieren von Müll in Sanddollargründen außerhalb der Brandungszone, das Erlernen von Suchtechniken in einer Bucht und das Erkunden eines nahegelegenen Tauchplatzes, einfach, weil du noch nie dort tauchen warst.

Glaube dem Far-Freezing-Fish-Mythos nicht und dir öffnen sich Welten. Neben deinen lokalen Küsten, Flüssen und Seen befinden sich nicht allzu weit entfernt vielleicht Tauchparks wie der Athens Scuba Park, Dutch Springs, Kraken Springs, Stoney Cove oder einer von Australiens 58 Marineparks. Sei auf das Unerwartete vorbereitet – weltweit umfassen lokale Tauchplätze einzigartige und einmalige Stätten:

  • Dank eines von Menschen angelegten Reservoirs können chinesische Taucher an der Chinesischen Mauer tauchen. (Das ist kein Scherz).
  • In Nordamerika, etwa 20 Minuten entfernt von Abilene, Texas, kann man ein Relikt aus dem Kalten Krieg, ein geflutetes Raketensilo, Es gibt ein weiteres im Staat Washington, falls das für dich näher liegt.
  • In Frankreich befindet sich vor der Küste des Cap d’Antibes eine ganze Stadt unter Wasser – als Miniatur. Es handelt sich um die restaurierten Überreste eines Filmsets aus den 1960er Jahren mit Gebäuden, die nicht mehr als einen Meter/drei Fuß hoch sind.
  • Wenn du reale Größenverhältnisse bevorzugst, kannst du im Lake Lyngnostøylsvatnet in Norwegen ein komplett erhaltenes Dorf entdecken, das vor über hundert Jahren geflutet wurde und in etwa 10 Meter/30 Fuß Tiefe liegt.

Das ist erst der Anfang, diese Liste könnte seitenweise weiter gehen. Es geht darum, dass du zurzeit aufgrund der Pandemie vielleicht nicht weit reisen kannst – na und? Interessante, großartige Tauchplätze gibt es fast überall. Du musst nur suchen, oder besser, dein örtliches PADI Tauchgeschäft kontaktieren, denn dort wird man die Top-Tauchplätze der Umgebung kennen. Ebenso wie die derzeit für das Tauchen geltenden Vorschriften zur Verringerung des Ansteckungsrisikos. Schau dir auch die COVID-19 Scuba Diving Status Map an, und entdecke, wo das Tauchen weltweit möglich ist.

Der französische Autor und Nobelpreisträger Andre Gide sagte: „Ohne den Mut, das Ufer aus den Augen zu verlieren, kann man keine neuen Meere entdecken.“ Wahr.

Aber manchmal kann man sie auch nur entdecken, wenn man den Mut hat, nahe der Heimat zu suchen.

Seek Adventure. Save the Ocean.

Dr. Drew Richardson

PADI President & CEO

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